Unser Außenposten Bodø (in persona: eine ehemalige Kollegin, die dort seit Jahren lebt) hat uns freundlicherweise ihren persönlichen Eindruck der Coronakrise geschildert. Herzlichen Dank, liebe Sigrun ! Wir hoffen sehr, dass wir uns bald wiedersehen können! Bleibt gesund — und Zuhause!

Abendhimmel über Bodø

Anfang März 2020

Es wurde immer deutlicher, dass etwas unternommen werden musste, als auch das die letzten „Fylke“ aus den Winterferien im März zurückkamen. In der Woche 10, der ersten Märzwoche, waren im Norden Norwegens Winterferien. Einige waren auch in den Skiferien in Nord-Italien oder Österreich, wo die Corona-Situation gerade eskalierte. Am Sonntagabend, dem letzten Ferientag, wurde daraufhin bekannt gegeben, dass Reisende, die in diesen beiden Gebieten waren, ab sofort in Quarantäne sind – d.h. sie durften nicht zur Arbeit, Schule oder Kindergarten.

Die Stimmung wurde immer angespannter und man ahnte, dass sich stärkere Maßnahmen anbahnten. Schulschließungen wurden erwähnt. Am Donnerstag, dem 12.3., hielt die Bürgermeisterin Bodøs um 12 Uhr eine Pressekonferenz. An meiner Schule haben wir diese zusammen mit den Schülern angeschaut. Schnell wurde klar, dass Bodøs Schulen für den nächsten Tag und die folgende Woche geschlossen werden würden und der Unterricht digital stattfinden würde. Die Schüler jubelten – bis sie verstanden, dass auch Sportveranstaltungen – Fussballtraining, -Spiele und -Turniere, Musikschulen, Korps und alle Veranstaltungen bei denen sich Menschen  auf engen Raum treffen, nicht stattfinden würden.

Blick in die Ferne

Am selben Tag gab auch die Staatsministerin Erna Solberg um 16 Uhr eine Pressekonferenz. Hier ging es noch einen Schritt weiter: Landesweit wurden Schulen für zwei Wochen geschlossen. Alle Betriebe, bei denen sich Menschen zwangsläufig nah kommen, mussten schließen. Dies galt Friseursalons, Fußpflege, Massage, Bars, Kneipen, Restaurants, Fitnessstudios, Schwimmbäder.

Cafés durften geöffnet bleiben, wenn sie die Anzahl der Sitzplätze justierten und Essen so anboten, dass Ansteckung ausgeschlossen war. Zusätzlich waren nun alle, die aus dem Ausland ins Land zurückkamen, für zwei Wochen in Quarantäne, egal in welchem Land man gewesen war. Dies galt natürlich rückwirkend. Wer von zu Hause aus arbeiten konnte wurde dazu aufgefordert, genau das zu tun.

Ich denke, die meisten Norweger sind sich darüber einig, dass die Maßnahmen, die die Regierung vorlegte, Sinn machen und vernünftig sind. Die Regierung argumentiert offen, warum man was macht. Besonders Eindruck machte auch eine Pressekonferenz für Kinder, bei sich u.a. die Staatsministerin den Fragen der Kinder und Jugendlichen stellte.

Festung Skarven

Die Schulen stellten sich in null Komma nichts auf die neue Situation um. Ein großer Vorteil war, dass (zumindest in Bodø) alle Schüler entweder mit Ipad oder PC ausgestattet sind. Digitalem Unterricht stand also nur die technische Kompetenz der Lehrer und Schüler im Weg 🙂 Klar war, dass die Schüler einen geregelten Schultag haben sollten, so wurden dementsprechend Stundenpläne erstellt. Morgens müssen sich alle um 9:00 Uhr zu einer Videokonferenz zuschalten und bekommen dann den genauen Tagesplan noch mal erklärt. Sie arbeiten dann bis zur großen Pause mit einem Fach. Bekommen eine halbe Stunde Pause und anschließend eine Sport-Aufgabe (die muss dokumentiert werden!). Danach geht es dann mit einem weiteren Fach los. Um 14:30 ist Schulschluss. Klassenlehrer sind in regelmäßigem Telefonkontakt mit ihren Schülern. Um nicht nur vor dem Bildschirm zu sitzen, gibt es zum Beispiel auch Aufgaben im Kunst- oder Musikunterricht. Besonders beliebt bei Schülern und Eltern ist, wenn auf dem Stundenplan „Mat og helse“ steht – „Essen und Gesundheit“. Da kann die Aufgabe dann darauf hinauslaufen, dass man zu Hause staubsaugen soll, Zimmer aufräumen, der Familie das Mittag kocht oder sich darin übt, mit Hefe zu backen. Am Internationalen Waffeltag Ende März war natürlich Waffelbacken auf dem Plan. Trotz allem versucht man, ein fachliches Niveau zu wahren, und so werden Gruppendiskussionen per Videokonferenz durchgeführt, Mathearbeiten digital abgefragt, und vieles mehr.

Spitze mit Löchern

Am Anfang der Maßnahmen waren eindeutig weniger Menschen in den Straßen (hier in Nord-Norwegen half definitiv das schlechte Wetter!) und nach einigen wenigen Tagen mit vielen panischen Einkäufern, wurde es auch in den Geschäften ruhiger. Nun hat man sich daran gewöhnt, dass man sich beim Schlangestehen an der Kasse nach aufgeklebten Linien richtet, die einem sagen wo man stehen soll. Man reibt sich die Hände mit Desinfektionsmittel sobald es bereit steht. Man macht einen Bogen, wenn man Menschen auf der Straße trifft. Einige Geschäfte lassen nur eine bestimmte Anzahl Kunden zu – da wartet man draußen, dass man herein gelassen wird, wenn jemand raus geht. Norweger zahlen eh gern mit Karte, aber nun ist es in den meisten Geschäften nicht mehr möglich bar zu zahlen um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Im öffentlichen Transport zahlt man per App oder gar nicht (!) . Puzzles wurden der Verkaufsschlager zu Beginn der Maßnahmen – sobald ein Geschäft einen Satz bekommen hatte, war er ruckzuck verkauft.

Wintersonne Bodø

Zum Glück ist die Lage in Norwegen, besonders im Norden, relativ entspannt, was die Zahl der Ansteckungsfälle betrifft. Oslo als Hauptstadt ist am stärksten betroffen. Reisen ist nicht verboten, aber es wird aufgefordert sich in seiner Gemeinde zu halten. Man geht wieder in Cafés. Aus den 2 Wochen, an denen Schulen geschlossen sein sollten sind nun 8 geworden, aber es zeichnen sich Lockerungen ab. Letzte Woche sind die Kinder zurück in den Kindergarten gegangen, und diese Woche sind die 1-4 Klässler wieder an den Schulen. Ein Tag, der mit gehisster Flagge markiert wurde auf den Schulhöfen. Auch Friseure, Masseure und Fusspfleger haben gestern wieder ihren Türen öffnen dürfen. Sowohl Angestellte als auch Kunden müssen sich nun an neue Regeln halten. So darf man nicht sein Handy rausholen beim Friseurbesuch, Magazine liegen auch nicht mehr aus.

Am letzten Samstag (25.04.20) wurde nun bekannt gegeben, dass alle (Musik-)Festivale bis zum 1. September abgesagt sind. Dies trifft Norwegen hart, jede Region hat seine kleineren oder grösseren Festivale, die alle sehr beliebt und gut besucht sind.

Vorgestern benutzte der Gesundheitsminister Bent Høie einen Teil der täglichen Pressekonferenz dafür, sich besonders bei den Jugendlichen für ihre Geduld zu bedanken. Er gab zu Ausdruck, dass er Verständnis für die besondere Situation gerade für die Jungen hat. Dafür hat er viel Anerkennung bekommen. https://www.aftenposten.no/norge/i/rA2A18/hoeie-til-ungdommen-neste-sommer-finnes-ikke-naar-du-er-ung?

Blick in die Röhre

Wie es nun weiter geht ist noch unsicher. Am Donnerstag, 30. April wurden neue Richtlinien angekündigt, die sehr wahrscheinlich auch die Schulen betreffen werden. Wir sind gespannt!

Bodø, 28.04.20 | Ein Bericht von Sigrun Möller